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Staunen ist ein Grund, wenn auch Werden wie die Kinder, selten habe verkrampfe, distanziere mich oder
nicht der einzige, warum wir wie ich so Appetit darauf bekommen stehe in der Gefahr, zu heucheln.
die Kinder werden sollen. wie durch die Meditationen von Staunen ist der erste Schritt für
„Derselben Stunde traten die Jün- Heinrich Spaemann. Er entfaltet einen Erwachsenen, am Kindsein
ger zu Jesus und fragten: Wer ist mir die Armut des Kindes in ihrem anzuknüpfen und dadurch den
doch der Größte im Himmelreich? ganzen Reichtum: Das Kind schaut Weg ins Himmelreich zu finden.
Jesus rief ein Kind zu sich und stell- auf, Kinder strahlen, sind ganz
te es mitten unter sie und sprach: Auge, das Kind ist spontan, sieht
Wenn ihr nicht umkehrt und wer- Größere als Gabe, leidet in Wehr- „Staunen – was ist das? Da muss
det wie die Kinder, so werdet ihr losigkeit, nimmt Worte ernst, ist ich mal überlegen. Haie! Also, als
nicht ins Himmelreich kommen. konkret, ist schöpferisch, ist sorg- wir neulich im Meereszentrum
Wer sich selbst erniedrigt und wird los, zeigt seine Schätze, verschenkt waren, da konnte man die Fische
wie dieses Kind, der ist der Größte Zeit, sucht Verbundenheit, liebt durch eine Scheibe sehen. Mich hat
im Himmelreich.“ absichtslos, tut keine Gewalt an, zum Staunen gebracht, wie dicht
(Mt 18, 1-4) glaubt der Liebe, … die Haie an der Scheibe entlang ge-
schwommen sind und wie majestä-
Heinrich Spaemann schreibt in tisch sie sich bewegen können!
seinen Meditationsskizzen zu Mt Wenn wir als Erwachsene staunen, Dann habe ich auch über die Mu-
18,3: „Es interessiert uns nicht das schnuppern wir wieder am Kind- ränen gestaunt – über ihre gepunk-
Niedliche am Kind, sondern der sein und erinnern uns vielleicht, tete Farbe und ihre Länge…
anfangende Mensch in seiner Of- was zum Kindsein sonst noch ge- Was mich noch erstaunt ist, wie
fenheit.“ hört. Opa Klavier spielen kann! Dass er
(Spaemann, 2011, S. 9) Staunen alleine macht uns noch unterschiedliche Melodien spielen
nicht zu Kindern, erinnert uns und erfinden kann und wie schnell
Kinder (solange noch Vertrauen höchstens an unser Kindsein, hat sich seine Finger auf den Tasten be-
ihr Herz regiert und dieses nicht darin aber einen ungeheuren Wert, wegen!
verstört durch Angst und Miss- weil es eine Sehnsucht in unser Ich habe auch gestaunt, als wir im
trauen ist) sind also anfangende Herz legt, neu anfangen zu kön- Schwimmbad waren, dass manche
Menschen. Und dieser Anfang ist nen, sich im Geheimnis zu ver- vom 10-Meter-Brett gesprungen
gekennzeichnet durch Armut und wurzeln und daraus zu wachsen. sind – dass sie sich getraut haben,
Reichtum: Arm an Wissen und Umzukehren. Wiedergeburt. aus solcher Höhe zu springen, ohne
reich an erhofftem Empfangen. „Es sei denn, dass einer von oben Angst vor dem Aufprall!
Deshalb gehört Staunen zum Kind, geboren werde, so kann er das Neulich hat Oma mir eine Ge-
welches arm ist an Wissen, reich an Reich Gottes nicht sehen.“ schichte erzählt aus ihrer Kindheit!
Nichtwissen und reich an Offen- (Joh 3,3) Ich bin erstaunt, dass sie das noch
heit für Neues. erinnern kann, obwohl es schon
Reife Spiritualität wird geprägt von über 60 Jahre her ist…
Wenn Jesus uns auffordert, zu wer- einer wachsenden Bewusstheit der Und ich staune auch, dass du MIR
den wie die Kinder, ruft er uns zur Präsenz des liebenden und heiligen diese Frage stellst – warum ich?“
Bekehrung auf, indem wir schme- Gottes. Wie kann ich diese gött- Mädchen (10 Jahre)
cken, was es bedeutet, Menschen liche Präsenz so permanent ertra-
des Anfangs zu sein, ein Kind, arm gen? Nur unschuldig verspielt, wie
und reich zugleich, neu anfangen ein Kind. Nur unschuldig verspielt
zu wollen, mit Hoffnung auf einen kann ich die Bewusstheit der Prä-
ständig wachsenden Reichtum (in senz Gottes aushalten.
geistlicher Armut). So der Gedanke eines unbekann-
ten christlichen Mystikers in „Die
“Kinder sind Offenheit und Erfüllt- Wolke des Nichtwissens“ (2011)
heit in einem, lebendige Hoffnung,
zu der wiedergeboren werden müs- Mit dem Ernst des Erwachsenen,
sen, die ihre Kindheit verloren...“ mit dessen Anspruch, alles rich-
(Spaemann, 2011, S.26) tig zu machen, kann ich in dieser
heiligen Präsenz nicht bestehen,
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